Aufsätze schreiben: warum? welche? wie?

In diesem Artikel möchte ich auf folgende Fragen rund um das Thema ‚Aufsatz schreiben‘ eingehen:

Warum Aufsätze schreiben?

Wir leben in einer Wissens- und Informationsgesellschaft. Texte, Berichte, Informationen an die Frau oder den Mann zu bringen, ist eigentlich in jedem Beruf ein Erfolgskriterium. Genau das üben Kinder, wenn sie Aufsätze schreiben.

Selbstentfaltung bedeutet sich selbst vertreten und ausdrücken zu können und das sowohl schriftlich als auch mündlich. Egal, ob beruflich oder privat: Schreiben ist eine wichtige Fähigkeit im Erwachsenenalter.

Was lerne ich beim Aufsatz schreiben?

Diese Fertigkeiten erlernen und üben unsere Kinder beim aufsatz schreiben:

  • Wesentliches vom Unwesentlichen zu unterscheiden
  • einen Sachverhalt mit Distanz zu betrachten
  • sich präzise und klar auszudrücken
  • Erlebnisse in Worte zu fassen
  • sich in andere Menschen versetzen und einzufühlen
  • Kreativität schriftlich auszudrücken
  • Sachverhalte aus einer völlig neuen Perspektive zu betrachten

Sachliches Schreiben (Berichte, Erörterung, Textinterpretation etc.) trainiert also die Fähigkeiten, von denen Beamte, Ärzte, Sozialarbeiter, Wissenschaftler und viele mehr beruflich profitieren.

Die wenigsten von uns werden Schriftsteller. Die Fähigkeiten die wir beim Kreativen Schreiben (Reizwortgeschichte, Weitererzählung, Innerer Monolog ….) üben, nutzen Menschen, die in Werbung, Marketing, Design, sozialen und vielen anderen Berufen arbeiten.

Außerdem baut jede Aufsatzart auf einer konkreten Grundstruktur auf. Das Erlernen dieser Struktur hilft Kindern ihre Gedanken, Wünsche und Anliegen so zu formulieren, dass andere Menschen sie nachvollziehen können. Und das braucht man im Leben jeden Tag.

Warum Aufsatz schreiben lernen wenn es KI gibt?

Machen ChatGPT und andere Formen der KI das Aufsatzschreiben überflüssig?

Ich bin davon überzeugt, dass ein selbstbestimmtes Leben nur dann möglich ist, wenn wir weiterhin Frau bzw. Herr über die Maschinen bleiben und sie in unserem Sinne zu nutzen vermögen. Dafür sind meines Erachtens all die oben genannten Fähigkeiten erforderlich.

  • Die eigenen Gedanken in Worte zu fassen, bedarf der Übungen. Diese gute Gewohnheit gewinnst du beim Aufsatzschreiben. Außerdem wirkt sich deine schriftliche Ausdrucksfähigkeit auch auf deine mündliche Eloquenz aus. Für die jedoch steht dir KI nicht zur Verfügung.
  • Selbst wenn du KI zum Schreiben nutzt, musst du wissen, was dein wesentlicher Gedanke ist. Nur dann kannst du KI optimal nutzen. Diese Fähigkeit übst du beim Aufsatzschreiben. So ist es dir möglich Fragestellungen so zu formulieren, dass die KI den gewünschten Output liefert.
  • In jedem Text, den du schreibst, wird ein Teil von dir sichtbar. Das macht Texte einzigartig und besonders. Kann KI deine Stimme finden? Dich zum Ausdruck bringen? Du bist einzigartig und das macht dich und deine Arbeit interessant. Kann dich KI aus der Masse hervorheben?
  • Was wenn dir KI nicht zur Verfügung steht? Ein Stromausfall, Überlastung des Netzes, Reise an einem unzivilisierten Ort …? Ist unwahrscheinlich findest du? Vielleicht aber gar nicht so unmöglich. Denke einmal darüber nach. Ich für meinen Teil bin froh, dass ich mich auch dann noch schriftlich adäquat ausdrücken kann.

Zurück zum Anfang

Welche Aufsatzformen gibt es in der schulischen Laufbahn?

Im Groben kann man alle Aufsatzformen in zwei Kategorien unterteilen: Kreatives Schreiben und Sachliches Schreiben. Hier ist eine Auflistung der wichtigsten Formen:

Kreatives Schreiben:

  • Erlebniserzählung
  • Fantasiegeschichte
  • Kriminalgeschichte
  • Reizwortgeschichte
  • Nacherzählung
  • Weitererzählung
  • Bildergeschichte
  • Innerer Monologe
  • Perspektivenwechsel
  • Persönlicher Brief

Sachliches Schreiben:

  • Unfallbericht
  • Zeitungsbericht
  • Reportage
  • Steckbrief
  • Ablaufbeschreibung
  • Protokoll verfassen
  • Personenbeschreibung
  • Formeller Brief
  • Erörterung
  • Textanalyse
  • Bewerbungsschreiben

Welche Aufsatzformen sind für die Volksschule relevant?

Kinder der 1. Und 2. VS entdecken das Schreiben als Fähigkeit an sich. Selbst Aufsätze zu schreiben, überfordert sie meistens, weil das Schreiben von Geschichten eine Vielzahl von Fähigkeiten erfordert.

In der 3. bzw. 4. Klasse Volksschule sind hauptsächlich Aufsatzarten aus dem Bereich „Kreatives Schreiben“ relevant. Dabei geht es darum, dass die Kinder die Grundstruktur (Einleitung, Hauptteil, Schluss) eines Textes verinnerlichen.

Wie kann ich mein Kind in der 1. – 2. VS zum Aufsätze schreiben vorbereiten?

Kinder lieben Geschichten. Deshalb lesen Sie ihren Kindern vor! Beim regelmäßigen Hören von Geschichten lernen die Kinder intuitiv den Aufbau und die Struktur von Geschichten. Wenn Sie sich diese Geschichten nach dem Vorlesen nacherzählen lassen, lernen die Kinder automatisch den Aufbau von Geschichten und üben nebenbei eine Vielzahl anderer Fähigkeiten (Konzentration, sinnerfassendes Lesen …), die beim Lernen im Allgemeinen vorteilhaft sind.

In dem Podcast Narration erzähle ich dir ausführlich, wie du das Nacherzählen mit deinen Kindern nach der Charlotte Mason Methode üben kannst.

Und hier findest du Bücherliste mit Kurzbeschreibung und Altersempfehlung.

Aufsatzformen in der 3. VS

Der Lehrplan gibt Lehrern Interpretationsspielraum. Das ist sinnvoll. So können sie den Plan individuell auf die Fähigkeiten der Klasse umlegen. Die einzige Info, die Homeschoolern für die Externistenprüfung zusteht, ist der Lehrplan. Weil die Interpretation des Lehrplans meist unbekannt bleibt, müssen Homeschooler, die Erwartungen des Prüfers bezüglich seiner Interpretation erraten. Das betrifft die erwartete Anzahl an Wörtern, sowie die geprüfte Aufsatzart. Somit sind alle Aufsatzformen der Volksschule sind für beide Klassenstufen von Bedeutung für die Prüfung.

  • Nacherzählung (gerne Fabeln oder Märchen)
  • Steckbrief, häufig auch schon Personenbeschreibung
  • Aufbau eines Briefs (meistens persönlich, kann aber auch formell sein)
  • Bildergeschichte
  • Reizwortgeschichte: eher in der 4. VS prüfungsrelevant, da die Reizwortgeschichte mehr Fähigkeiten als Bildergeschichte oder Nacherzählung voraussetzt
  • Weitererzählung

Meist werden zwischen 80 und 100 Worte gefordert.

Aufsatzformen in der 4. VS

In der 4. VS werden die Aufsatzarten aus der 3. VS vertieft. In jeder Klassenstufe erhöht sich die Anzahl der geforderten Worte. Ich habe schon Schulen erlebt, die in dieser Stufe 200 Wörter forderten. Mit 150 Wörtern ist zu rechnen. Je nach Lehrer können die Erwartungen stark variieren.

Steckbrief ist Thema der 3. VS. Die Personenbeschreibung wird häufig erst in der 4. VS gefordert.

Welche Aufsatzformen sind für die Mittelschule bzw. Gymnasium relevant?

Die Mittelschule bzw. Gymnasium bauen auf den Fähigkeiten der Volksschule auf. Die geforderten Textarten werden von Stufe zu Stufe komplexer. Bei manchen Textarten insbesondere dem Kreativen Schreiben, gibt es, was die Struktur betrifft mehr Freiheiten. Um diese Freiheiten nutzen zu können, ist es wichtig, das die Jugendlichen die prinzipielle Struktur eines Aufsatzes verinnerlicht zu haben. Je höher die Klassenstufe, umso relevanter werden Aufsatzformen des „Sachlichen Schreibens“. Im Gegensatz zur Volksschule mache ich Schwerpunkte aus, die in den jeweiligen Klassenstufen meistens unterrichtet werden. Nur für manche Aufsatzarten kann man feststellen, dass sie auf alle Fälle durchgenommen werden.

Aufsatzformen in der 1. MS bzw. Gymnasium

  • Kreatives Schreiben: In dieser Klassenstufe werden alle Aufsatzformen der 4. VS wiederholt.
  • Sachliches Schreiben: Der Bericht kommt als neue Aufsatzform hinzu.

Wer die Schulbücher vergleicht, dem wird auffallen, dass die geforderten Aufsatzformen variieren und sehr unterschiedlich sein können.

Aufsatzformen in der 2. MS bzw. Gymnasium

In der 2. MS gibt es häufig einen Schwerpunkt auf Fantasie- bzw. Gruselgeschichten. Es wird vorausgesetzt, dass Kinder den dazu passenden Wortschatz beherrschen und anwenden können. Den prinzipiellen Aufbau eines Textes sollten Kinder beherrschen. Berichte, wie Unfall- oder Zeitungsbericht gewinnen an Bedeutung.

Aufsatzformen in der 3. MS bzw. Gymnasium

Ab der 3. MS kommt dann die Analyse von Texten hinzu. Gerne werden dabei Balladen herangezogen. Das Fachwissen, dass Jugendliche nun erwerben müssen, um eine solche Analyse schreiben zu können gewinnt an Bedeutung. Um eine Ballade analysieren zu können, muss ich mich bei den Besonderheiten von Balladen auskennen. Beim „Kreativen Schreiben“ können Perspektivenwechsel oder der Innere Dialog komplexe Kenntnisse beim Schreiben erfordern.

Aufsatzformen in der 4. MS bzw. Gymnasium

In der 4. MS liegt der Schwerpunkt meistens auf der „Erörterung“. Schüler müssen Aufbau und Struktur der linearen und der dialektischen Erörterung beherrschen. Dafür ist ein gewisses Allgemeinwissen notwendig, um überhaupt ein bestimmtes Thema erörtern zu können.

Zurück zum Anfang

Wie kann man Aufsatz schreiben üben?

Übung macht den Meister. Mache Schreiben zu einer lieben, regelmäßigen Gewohnheit und entdecke, dass es Spaß macht sich selbst schriftlich auszudrücken. Hier sind Tipps, die das Üben erleichtern werden.

Tipp 1 – kurze Einheiten. Fordern Sie ihr Kind, ohne es zu überfordern! Sehen Sie bei Kindern mit Konzentrationsschwierigkeiten kurze Einheiten vor!

Tipp 2 – konstruktives Feedback. Mache Schreiben zur Gewohnheit und hol dir konstruktives Feedback! Wer täglich übt, ohne je ein konstruktives Feedback zu bekommen, wird ineffizient üben.

Hier kannst du nachlesen was ein konstruktives Feedback ausmacht. Da es sehr wichtig ist, ist es auch ein wichtiger Bestandteil aller Angebote meiner Schreibwerkstatt.

Tipp 3 – für Kinder mit Lernschwächen. Kinder mit Lernschwächen (Legasthenie, ADHS, Dypraxie …) können oft besser am Laptop üben. Vielen Kindern mit Lernschwächen hilft es, wenn sie die Geschichten den Eltern zunächst einmal diktieren können.

  • Tipp für Homeschooler: Lassen Sie sich die Geschichte von ihrem Kind diktieren. Bauen Sie mind. 1x pro Woche ein solches Diktat ins gemeinsame Lernen ein. Erst wenn ihr Kind sicher beim Erzählen der Geschichte ist, lassen sie es selbst schreiben.
  • Tipp für Eltern mit Schulkindern: Lassen Sie sich die Hausaufgabe (=Geschichte) diktieren! Im Anschluss soll das Kind die Geschichte ins Hausaufgabenheft abschreiben.

Tipp 4 – wenn Deutsch eine Fremdsprache ist. Kinder, für die deutsch eine Fremdsprache ist, tun sich oft leichter, wenn sie zunächst einmal Geschichten in ihrer Muttersprache verfassen. Da sind die Eltern gefragt, ihren Kindern dementsprechend zu helfen.

Tipp 5 – Aufsatzstruktur einprägen. Es ist wichtig, dass dein Kind die Struktur des Aufsatzes verinnerlicht. Welche Elemente müssen vorkommen? In welche Reihenfolge? Welche Kriterien müssen bei der bestimmten Aufsatzform erfüllt werden? All das gibt deinem Kind Struktur und hilft immense beim Aufsatzschreiben.

Zurück zum Anfang

Wie wird ein Aufsatz aufgebaut? Struktur und Kriterien

Wie wird ein Aufsatz gegliedert?

Jeder Text, egal ob Volksschulaufsatz, wissenschaftlicher Artikel oder Märchen, lässt sich immer in folgende Elemente unterteilen: Einleitung, Hauptteil, Schluss. Warum gibt es sie? Und warum sind sie wichtig? Was unterscheidet sie?

Einleitung

Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einem Fest eingeladen und kennen niemanden. Welche Fragen beantworten Sie meistens im Smalltalk, wenn Sie sich vorstellen? Genau: Die W-Fragen. Das Bedürnis zu wissen mit wem man es zu tun hat, ist so alt wie die Menschheit selbst – mündlich und auch schriftlich. Sie checken, ob wir eine Beziehung weiter vertiefen wollen bzw. das Buch doch lieber zur Seite legen oder auch nicht. Sich vorstellen, also einleiten, um was es geht, ist ein menschliches Bedürfnis, dass sich in jedem Text widerspiegelt. Wer? Wo? Wann? Warum? Volksschüler, die die Struktur noch verinnerlichen müssen, sollten immer alle Fragen beantworten. Je höher die Klassenstufe, umso freier. Denn dann sollten Jugendliche ermessen können, welche Fragen für ebenjene Geschichte von Bedeutung sind.

Hauptteil

Beim Kreativen Schreiben führen Erzählschritte zum Höhepunkt, der dann mit wenigen Erzählschritten zum Schluss gebracht wird. Beim Sachlichen Schreiben, wird das Thema im Hauptteil ausgeführt, so dass alle wichtigen Informationen nüchtern in einer ansprechenden Sprache dargelegt werden.

Schluss

Der Schluss rundet eine Geschichte bzw. einen Sachtext immer ab und sollte deshalb keine neuen Informationen oder Elemente einbringen. Im Gegenteil es dürften sogar bei einem Sachtext, die wichtigsten Schlüssel nochmal hervorgehoben werden.

Welche Kriterien muss ein Aufsatz erfüllen?

Also was ist wichtig beim Aufsatz schreiben? Hier sind die vier wichtigsten Kriterien.

Äußere Form

Alles was, der Leser, ohne ein Wort gelesen zu haben vom Text wahrnimmt. Sie ist der erste Eindruck, den ein Autor über sein Können vermittelt, somit das Aushängeschild für seine Fähigkeiten.

Inhalt

Ist der Inhalt nachvollziehbar geschrieben? Gut aufbereitet und recherchiert? Macht es Sinn was ich lese?

Sprache

Variiert der Autor seine Sprache? Verwendet er einem den Text angemessenen Wortschatz? Erzeugt der Autor Spannung mit entsprechenden sprachlichen Stilmitteln? Bzw. ist er in der Lage ein trockenes Thema mit seiner Sprache zu beleben?

Rechtschreibung und Grammatik

Ist der Aufsatz grammatikalisch richtig? Gibt es Rechtschreibfehler?

Wie lang soll ein Aufsatz sein?

Diese Frage mag ich gar nicht. Literarische Größen sind so genial, dass sie mit wenigen Worten eine fantastische Geschichte erzählen können. Vielleicht würde die Anzahl der Worte zum Beispiel 130 im Mittelfeld für die 4. Klasse VS liegen. Dabei sind doch in der Mittelschule schon mal auch 300 Wörter gefordert. Ist der Text dieses Literatengenies also niveaulos?

Für die meisten Menschen braucht es eine gewisse Anzahl von Wörtern, damit eine sinnvolle Geschichte zustande kommt. Unter 60 Wörtern wird es schwierig, die Struktur einer Geschichte einzuhalten. Eine gewisse Anzahl von Wörtern macht also meistens Sinn. Wiederum ist es Ermessen des Lehrers wie viele Wörter er von seinen Schüler:innen erwartet. Grobe Werte, die ich eher am unteren Leistungsniveau orientiere:

  • 70 – 100 Wörter: 3 Klasse
  • 100 – 150 Wörter: 4. Klasse
  • 150 – 200 Wörter: 1. MS
  • 200 – 250 Wörter 2 MS
  • Es wird klar: Um so höher die Klassenstufe, um so mehr Worte.

By the way: Man kann auch zu viele Wörter verwenden. Es kommt u.a. auch auf die Aufsatzart an. Ein Bericht, der sich aufs wesentliche fokussieren sollte, darf sich nicht in Nebensächlichkeiten verlieren und überhaupt sollte jeder Satz für die Geschichte Sinn machen. Man kann tatsächlich auch zu viel schreiben.

Zurück zum Anfang